Oft klicke ich mich durch die Rubrik "Sehr seltene Arten - Deutschlandweit" bei Ornitho.de und staune über alle Ausnahmeerscheinungen, die in Deutschland vorkommen. Meistens sind diese an der Küste oder auf Helgoland, klar. Diesmal war es aber anders: ein Gleitaar! 66 km weit weg bei Burgbernheim, nahe Bad Windsbach. Bitte was!?
Nun muss erwähnt werden, dass Gleitaare hauptsächlich in Nordafrika vorkommen und keine typischen Zugvögel sind. Selbst wenn sie es wären läge Süddeutschland absolut abseits jeglicher Zugrouten von Nordafrika aus. Einige kleine Populationen haben sich seit längerem in Südspanien und Südfrankreich angesiedelt und brüten dort. Ok - immernoch ca. 2000 km weit weg von Deutschland. Aber: allen Anschein nach war er tatsächlich dort!
Also spontan am Montag Morgen den Birderstammtisch-Emailverteiler angeschrieben, wer denn mit kommen möchte. Und auch schnell eine Antwort bekommen, Dr. Werner Nezadal sollte mich begleiten.
Am frühen Nachmittag also schnell mal "rüber" gefahren, in das Gebiet, wo er zuletzt beobachtet worden ist. Standorttreu war er ja, schon fast 5 Tage an einem Ort. Von das Hauptstraße aus in einen Feldweg abgebogen und immer wieder jeden Turmfalken ganz genau überprüft, nicht, dass der Gleitaar dabei ist. Am Ende des Feldwegs das Auto abgestellt, ausgestiegen und plötzlich "prüüt, prüüt" - Rufe zu hören. "Prüüt, Prüüt" ... nochmal. Das sind doch - klar - Bienenfresser!
Eine kleine Gruppe von bis zu 17 Tieren jagte im frühen Nachmittagslicht zusammen mit zahlreichen Mehl- und Rauchschwalben nach Großinsekten. Wow, was für eine Überraschung. Damit hätten wir nun wirklich nicht gerechnet. Auch waren in der Gegend keine gemeldet worden. "Nett" denkt man sich da!
Nun aber zurück zum Gleitaar - wobei es auch leichter Luxus ist, Bienenfresser als "Beifang" zu sehen. Irgendwo musste er hoffentlich noch sein, also als erstens mal den näheren und weiteren Horizont mit dem Spektiv abscannen. Ein Greifvogel. Noch einer. Rotmilan. Noch einer. Noch einer. Wieder einer. Was ...? Fünf, Sieben.... Zehn ... Da kreisten tatsächlich 12 Rotmilane am Himmel in der mittlerweile früh-abendlichen Thermik. Eine Zahl, in der sogar Werner meinte, dass er das so noch nie beobachtet hat.
Oh, Schwarzmilan. Zwei...Drei...Vier! Was war das für ein Tag? Da hingen nun also 12 Rote und vier Schwarze Milane am Himmel. Zwischendurch noch vereinzelt ein paar Mäusebussarde, warum denn auch nicht?
Hier und da gabs mal ein bisschen gezanke am Himmel und nach und nach ließen sich die Rotmilane auf einem kahlen (Schlaf-)Baum nieder. "Nett", mal wieder!
Bei der immensen Anzahl von Greifen vielen die kleinen Turmfalken, mehr als fünf an der Zahl auch gar nicht mehr ins Gewicht. Wobe es doch immer wieder toll zu beobachten war, wie sie über dem Stoppelacker immer wieder in der Luft hielten, kurzer Rüttelflug und anschließend auf Ihre Beute hinunter schossen. Noch immer kein Gleitaar. Dafür immer wieder Birder, die genau nach dem gleichen Supertick suchen. Während über einer höheren, wahrscheinlich sumpfigen Wiese eine Rohrweihe nach Beute ausschau hielt kamen wir ins Gespräch mit einer freundlichen Dame, die zum Einen im Wiesenweihenschutzprogramm tätig ist - zum Anderen den Gleitaar schon seit mehreren Tagen "verfolgt". Ihre Hinweise waren Gold wert, denn wir standen am falschen Ende des Feldes und blickten frontal auf eine Baumreihe, die oft als Ansitz genutzt wird. Also war unsere Position wenig aussichtsreicht. Zurück ins Auto und rum ums Feld, mit seitlichem Blick auf die Baumreihe. Und da war er, hoch auf einem Ansitz!
Völlig ruhig saß er da, gänzlich unbeeindruckt von all den Ereignissen drumrum und widmete sich der Gefiederpflege. Hinter uns begann die Sonne, sich rötlich zu Färben und die ganze Szenerie in ein tolles, warmes Licht zu tauchen. Und vor uns dieser absolute Megatick! Nicht viele Birder in Deutschland bekommen die Gelegenheit, diesen tollen Vogel so gut beobachten zu können. Die Distanz war noch relativ groß, ich würde schätzen 500 m - aber wir wollten den Vogel wirklich nicht stören.
Wie er aus Nordafrika, Südspanien oder -frankreich seinen Weg nach Franken gefunden hat wird wohl immer ein Rätsel bleiben. Vermutlich einfach "verflogen". Aber es schien Ihm hier zu gefallen, insgesamt war er fast zwei Wochen toll in dem Gebiet zu beobachten. Und während er da so saß und uns staunen ließ um uns rum die Milane, die Mäusebussarde beim Jagen, die vielen Turmfalken, Rohrweihen, Bienenfresser - was für ein erfolgreicher Tag!
Während der gesamten Zeit hat der Gleitaar nur drei, vielleicht vier Mal seinen Standort gewechselt - aber immer in einem Radius von ca. 500 m um uns herum. Er wurde immer wieder von Rabenkrähen gemobbt, die, wie auf den Bildern am Ende des Beitrags zu sehen ist ihm an größe sogar deutlich überlegen sind. Selbst das ließ er teilweise stoisch zu, rief nur kurz aufgeregt in die Richung der Störenfriede, flog eine Platzrunde und setzte sich einige Meter weiter wieder ab. Und das alles im besten Fotolicht, welches sogar das helle Gefieder des Vogels und sein rotes Auge noch schöner zur Geltung brachte! Was für ein erfolgreicher Tag voller Überraschungen!
Artenliste des Tages:
- Gleitaar
- Rotmilan
- Schwarzmilan
- Turmfalke
- Mäusebussard
- Rohrweihe
- Bienenfresser
- Kuckuck
- Graureiher
- Bluthänfling
- Schafstelze
- Hohltaube
- Rabenkrähen
- Goldammer
- Stieglitz
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U.Grothues (Dienstag, 26 Juni 2018 13:37)
Eigentlich bin ich hier nur zufällig auf der Suche nach dem "Gleitaar" gelandet.
Der Bericht hat mir sehr gut gefallen, denn er ist interessant und sehr lebendig geschrieben. War schön zu lesen.
Danke!