...desto schöner die Gams - sagt man in Oberbayern. Ob das stimmt sei dahin gestellt, auch was die Schönheit einer Gams ausmacht.
Was allerdings auf jeden Fall schön und einen Besuch wert ist sind die Berge Bayerns und die damit verbundenen alpinen und hochalpinen Vogelarten.
Den Angaben im "Birder Travel Guide" Vögel beobachten in Süddeutschland folgend klapperten wir an einem Tag gleich drei Beobachtungsgebiete ab - frühes Aufstehen war da eine Grundvoraussetzung.
Als erstes ging die Reise auf den Gipfel der 2385 m hohen Karwendelspitze um hochalpine Arten zu finden, weiter Richtung Oberlauf der Isar für alpine Spechte und Singvögel und anschließend ins Moorgebiet, dem Murnauer Moos.
Karwendelspitze
Mit dem Glück bei meiner Mutter übernachten zu können, die nur 40 km von Mittenwald und der Talstation der Karwendelbahn entfernt wohnt hielt sich der morgendiche Weckruf mit 7.30 Uhr noch in humanen Grenzen. Schließlich sollte es ein langer Tag werden.
Die erste Bergfahrt der Seilbahn, die immerhin die zweithöchste Deutschlands ist beginnt Anfang Juni um 9 Uhr.
Pünktlich um 8.30 Uhr standen wir somit am Parkplatz und erwarteten eine grandiose Aussicht.
Nach kurzer Fahrt erreichten wir wenig später den Gipfel und verschafften uns von der Bergstation mit Aussichtsterrasse aus einen ersten Überblick. Bei bestem Sonnenschein lag noch Schnee in der Mulde, um die sich die einzelnen Teilgipfel herum anordnen.
Mit dem Spektiv einen ersten Schwenk, vielleicht gibt es ja schon was zu sehen? Und währen unser Blick durch das Spektiv in die Ferne schweifte entdeckte meine Mutter, die uns tapfer begleitete einen kleinen Singvogel unweit der Bergstation an einem Gipfelgrat. Schnell das Spektiv umgeschwenkt, scharf gestellt - siehe da, eine Alpenbraunelle (Prunella collaris)! Sehr schön zu beobachten mit bräunlichem Bauch und zart gepunkteter Kehle. Leider war sie nach kurzer Zeit wieder hinter dem Gipfelgrat verschwunden, noch bevor ein Foto gemacht werden konnte.
Also auf zur Umrundung der Mulde und mal den Blick über andere, benachbarte Gipfel schweifen lassen, vielleicht erspäht man ja den einen oder anderen Greifvogel wie einen Steinadler?
Zu allererst fallen die vielen Blumen auf, die die frühlingshaften Bergwiesen säumen. Allen voran natürlich der Enzian, neben dem Edelweiß die Bergblume schlechthin.
"Zrüüü Zrüüü Zrüüü..." macht es plötzlich. "Zrüüü Zrüüü Zrüüü..." nochmal! Von einem Felsvorsprung in einiger Entfernung ruft ein weiterer kleiner Singvogel. Schnell durchs Fernglas checken - und richtig, ein Bergpieper (Anthus spinoletta) der uns da anzrüüüt.
Diese Art ist aus tieferen Lagen Deutschlands eigentlich bestens bekannt, hier aber meistens im Herbst/Winter auf dem Durchzug, dann meist in Gewässernähe. Hier aber, auf über 2000 m höhe in ihrem Brutgebiet den Vogel rufen und balzen zu sehen ist schon ein tolles Bild.
Nachdem sich der kleine Pieper von seiner schönsten Seite gezeigt hat und sich ausgiebig beobachten lassen hat - jedoch leider außerhalb einer akzeptablen Fotografierentfernung war der Blick für kleine Singvögel auf Felsvorsprüngen geschärft. Immer wieder haben wir die Bergflanken und -wände abgescannt in der Hoffnung, auch einen Mauerläufer zu erspähen - leider ohne Erfolg.
Jedoch fielen schon bald kleine Gruppen von Singvögeln auf, die immer wieder von einer Bergwiese zur anderen wechselten und dabei im Flug ein sehr auffälliges schwarz-weißes Muster auf ihren Flügeln offenbarten. Beim Absetzen auf einen Felsen konnte wir sie auch sicher bestimmen - obwohl das bei dieser offensichtlichen Flügelzeichnung auch im Flug kein Problem gewesen wäre: Schneesperlinge (Montifringilla nivalis). Neben der Alpenbraunelle dann der zweite Lifer an diesem Tag - und das noch vor 10 Uhr! Den Liferschnaps für den Abend bitte schon Mal kalt stellen.
Jetzt aber mal das Schneefeld in der Karwendelmulde und seine Ränder genauer abscannen - schließlich ist die Karwendelspitze eines der besten Gegenden in Deutschland um Alpenscheehühner zu sehen. Ein Schwenk mit dem Spektiv nach links - nichts.
Ein weiterer Schwenk nach rechts - wieder nichts. Schade - also auf, das Schneefeld, dass sich an einem schattigen Hang bis ins Frühjahr gerettet hat überqueren. Die nächsten ca. 200 m also in kleinen, vorsichtigen Schritten überquert - schließlich ist der Schnee rutschig und man kann immer wieder tiefer einbrechen.
Und plötzlich, am anderen Ende, in ca. 150 m Entfernung eine kleine Shilouette, die sich an den Boden krallt. Kontrollblick durchs Fernglas. Tatsache! Alpenschneehuhn (Lagopus muta)! Deutschlandlifer!
Neben dem Raufusshuhn, weniger als 10 m entfernt andere Wanderer, sogar mit Hund. Aber es krallt sich völlig regungslos am Boden fest, völlig unbemerkt. Mit der Angst, dass jede Bewegung der Touristen das Huhn verschrecken könnte näherte ich mich ganz langsam, um eine bessere Fotoposition zu bekommen.
Schließlich bei den Touristen angekommen staunte ich nicht schlecht, das Alpenschneehuhn saß immernoch völlig unbeeindruckt an Ort und Stelle. 10 m von mir entfernt. Perfekte Fotodistanz. In der Angst, die Wanderer könnten es nun doch in letzter Minute verschrecken versuchte ich sie auf meine Seite zu ziehen:
"Entschuldigen Sie bitte, aber wenn Sie sich jetzt nicht bewegen und ganz still halten zeigen ich Ihnen ein Alpenschneehuhn" versuchte ich, Ihre Aufmerksamkeit zu schärfen.
"Was, ja wo denn, wo ist es denn...?"
- "Na hier, 10 m links von Ihnen"
"Oh! So nah! Toll!"
Und plötzlich hielt jeder still und machte Fotos. Inclusive mir. War auch ein schönes Gefühl anderen Bergfreunden diesen tollen Vogel zu zeigen und ich erhielt dafür viel Zuspruch: "Mensch toll, ohne Sie hätten wir das gar nicht gesehen!".
Was für ein schönes Erlebnis, diesen tollen Vogel so nah sehen zu können. Weltweit ist der Bestand nicht selten, in Deutschland sind die Beobachtungsmöglichkeiten jedoch auf einige wenige Stellen in hochalpiner Lage beschränkt. Somit ist die Freude noch größer, die Möglichkeit bekommen zu haben, so ein tolles Foto zu schiessen.
Irritierend war, dass während der gesamten Zeit am Gipfel der Gesang des Hausrotschwanzes (Phoenicurus ochruros) zu hören war - offensichtlich ist diese Höhe noch kein Problem für den kleinen Singvogel, auch hier wird gebrütet.
Mittlerweile war es Mittagszeit und bevor es mit all dein Eindrücken wieder ins Tal geht (leider ohne Mauerläufer, der sich uns nicht zeigen wollte) war noch eine kleine Stärkung im Cafe an der Gipfelstation angesagt. Und wie sollte es auch anders sein bevölkerten Scharen von Alpendohlen die Gipfelstation, ständig auf der Suche nach einem Stück Kuchen oder einer Pommes, die für sie abfällt. Immer wieder umkreisten sie in Gruppen von bis zu 40 Vögeln die Berggipfel in der Nähe, um sich im nächsten Moment abenteuerlich herunter zu stürzen und in waghalsigen Manövern das Cafe anzufliegen. Dabei konnte man anhand der Schnabelfärbung die Jungvögel von den erwachsenen Tieren unterscheiden - und am Flehverhalten.
Oberlauf der Isar
Wieder runter von der Karwendelspitze, durch Mittenwald hindurch der Bundesstraße 2 folgend Richtung Österreicht liegt der Lauf der jungen Isar parallel zur Straße. Kurz vor der Bundesgrenze ist an der B2 ein kleiner Wandererparkplatz, direkt am "Riedboden".
Der Riedboden ist eine Fläche mit hohem Totholzanteil und vereinzelt stehenden Fichen, also optimal für (Sub-)alpine Spechte, Tannenhäher, Kreuzschnäbel und und und...
Außerdem fließt die Isar hier im schönsten Türkis eines wilden Bergflusses auf recht breiter Front und bildet damit je nach Wasserstand immer neue Kiesbänke aus. Diese Kiesbänke sind optimaler Brutplatz für z.B. Flussregenpfeifer oder Flussuferläufer.
Somit war es auch nicht verwunderlich, dass man, kaum die Brücke über die Isar betreten von oben Gebirgsstelzen (Montacilla cinerea) und Wasseramseln (Cinclus cinclus) beim Jagen beobachten kann.
Der Grund für unsere Besuch war jedoch ein anderer, schließlich waren wir auf der Suche nach Spechten und anderen typischen Alpenarten.
Plötzlich ein "Hüüeef, Hüüüeeff" aus einer alten Fichte neben dem Weg. Ein kleiner, brauner Vogel, im englischen auch gerne als "LBJ" (little brown job) verschrien. Fitis... Zilpzalp ... NEIN!
Das hier war ein anderer Vertreter der Phylloscopus - Familie - und was für einer!
Ein Berglaubsänger (Phylloscopus bonelli) sang uns hier an. Hurra, noch eine Alpenart, und ein Lifer dazu noch!
Mit dem Schnabel voller Insekten unterwegs eigentlich ein sicheres Indiz dafür, dass er irgendwo Jungvögel füttert. Eine tolle Beobachtung und zu meinem Glück verhielt er sich auch noch äußerst fotogen.
Nach ungefähr einer Stunde und gefühlt jeden Baum ganz genau abgesucht machten wir uns leider - spechtlos - auf den Rückweg.
Schade, dass wir keine Spechte gefunden haben - jedoch bemerkte meine Mutter einen Vogel, der das Isartal entlang den Fluss hoch und runter fliegt und nach Insekten sucht.
Schwalbengestalt, relativ groß, braun, keine langen Schwanzfedern - das muss doch eine Felsenschwalbe (Ptyonoprogne rupestris) sein.
Definitiv heller als eine Rauchschwalbe, kein weißer Bürzel wie bei einer Mehlschwalbe, kein geschlossenes Brustband wie bei einer Uferschwalbe - und alles in allem sehr groß wirkend. Hallo, noch ein Deutschlandlifer - denn auf Kreta gab es diese Schwalben auch schon.
Murnauer Moos
Ach, Murnauer Moos! Immer wieder einen Besuch wert, immer wieder schön! Die ausgedehnte Moorfläche bietet vielen seltenen Vögeln ein besonderes Zuhause und ist mit fast 32 km² das größte zusammenhängede Moorgebiet Mitteleuropas.
Bei allen Vogelarten, die man sich hier "ticken" kann ist der Karmingimpel selbstversändlich der "exotischste", denn sein Verbreitungsgebiet ist im gesamten süddeutschen Raum (abgesehen von der Röhn) nur hier.
Bevor es aber los ging musste noch eine Stärkung her. Zwar ist der Weg aus Mittenwald mit knapp 50 km nicht besonders weit, aber Karwendelspitze und Oberlauf der Isar machen hungring.
Dabei kann ich die Gaststätte "Ähndl" wärmstens empfehlen. Am besten könnte man die Auswahl dort mit traditionell-innovativ beschreiben. Zumal sie direkt am Eingang ins Murnauer Moos liegt, somit der optimale Ausgangspunkt, um sich nochmal zu stärken.
Aber weiter zum Birden, ist ja kein Food-Blog hier!
Zum dritten Mal in 2018 hier, zum dritten Mal heuer auf der Suche nach dem Karmingimpel. Denn hier im MuMo hat er sein größtes Verbreitungsgebiet in Bayern (neben der Röhn).
Doch zunächst nur die "üblichen Verdächtigen" hier, Braunkehlchen, Sumpfrohrsänger, Zilpzalp, Mönchs- und Gartengrasmücke und von überall hört man das Zwitschern von Sumpfmeisen und den Ruf von Buchfinken.
Als mir ein Herr mit Fernglas um den Hals entgegen kam wurden sofort die Birding-News ausgetauscht. Er war auf der Suche nach Weißrückenspechten, ich nach dem Karmingimpel. Und wir beide hatten auch immer noch nicht das gefunden, wonach wir gesucht haben. Schade. Es stellte sich heraus, dass er ein Birder aus Schweden war und zur Zeit in München wohnt. Und dass er nur einige Meter weiter vor 5 Minuten einen "Crex Crex" gehört hat! Wie bitte, einen Wachtelkönig? Nachmittags um 17 Uhr - das wäre ja was!
Und tatsächlich, nur weniger hundert Meter weiter plötzlich ein lautes, mechanisches "crex , crex .... crex, crex" aus der Wiese. Toll! Und tatsächlich rief dieser Wachtelkönig schon am Nachmittag, nicht wie es zu erwarten wäre erst in der Dämmerung.
Also weiter durch die Hitze. Neben Baumpiepern, Neuntötern und Schilfrohrsängern kam auch ab und an ein Baumfalke, ein Mäusebussard und eine Rohrweihe vorbei gesegelt. Nur kein Karmingimpel, immer noch nicht.
Also entschlossen wir uns der Hitze Tribut zu zollen und uns auf den Heimweg zu machen - schließlich braute sich am Himmel was zusammen, eines der typischen Juni-Wärmegewittern im Alpenvorland.
Kurz, bevor wir das MuMo verließen flog plötzlich noch eine Bekassine über uns auf. Sie flog in den Himmel, drehte und kam auf Ihrem weg zurück mehrere Male als "Himmelsziege" vorbei, das heißt im Balzflug mit dem bekannten, meckerndem Geräusch ihrer Schwanzfedern. Sehr schön, so was in Deutschland zu hören, bis her kannte ich das Geräusch nur aus Island, wo Bekassinen viel weiter verbreitet sind.
Alles in allem ein sehr erfolgreicher Tag, nur dass der Karmingimpel gefehlt hat - mal wieder. Und somit bleibt nur das Foto von 2017, an dem ich mich erfreuen kann.
artenlisten
Die alphabetisch sortierten Artenlisten der drei Beobachtungsgebiete
Karwendelspitze
- Alpenbraunelle
- Alpendohle
- Alpenschneehuhn
- Bergpieper
- Hausrotschwanz
- Schneesperling
- Turmfalke
Oberlauf der Isar
- Bachstelze
- Berglaubsänger
- Felsenschwalbe
- Fitis
- Gebirgsstelze
- Kohlmeise
- Wasseramsel
Murnauer Moos
- Baumflake
- Baumpieper
- Bekassine
- Blaumeise
- Braunkehlchen
- Buchfink
- Gartengrasmücke
- Mäusebussard
- Mönchsgrasmücke
- Neuntöter
- Rabenkrähe
- Rohrammer
- Rohrweihe
- Schilfrohrsänger
- Sumpfmeise
- Sumpfrohrsänger
- Wachtelkönig
- Zilpzalp
Kommentar schreiben